1997 Galerie der Bayerischen Landesbank, Munich

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„Arkadien in München“,
A catalogue was published.

 

»Arkadien in München«,
Susanne Schreiber

Medusenarme ziehen noch den entferntesten Betrachter hin zu den weiß engobierten Steinzeugvasen mit feinen Craquelé. Elegant schwingen in Angelika Maria Stieglers jüngster Werkgruppe die Henkel der klassischen Amphoren und Kummen, locken doppelt geschweift, strecken sich bemalt oder dicht gerollt in den Raum. Sie nehmen die Spannung der in die Engobe geritzten Bilderzählung auf. Wie Katalysatoren verstärken diese animierten Randgewächse die Erwartung, etwa wenn ein beschwingter Faun eine stolze Nymphe trifft. Oder wenn eine Tänzerin temperamentvoll zur Trommelmusik aus dem Häuschen gerät. Jede Silhouette ist anders. Zwar spielt die Keramikmeisterin mit archaischen Formen und Motiven, doch sie interpretiert sie neu, greift zu Freiheiten, die einstmals undenkbar waren: Figuren expressiv zu interpretieren oder Henkel am Fuß anzusetzen. Steht man ganz dicht vor den bis zu siebzig Zentimeter hohen, frei gedrehten Vasen, bannt den Betrachter die überschäumende Phantasie der Bilderzählung. Mit lockerem Strich und treffsicher geführtem Schabeisen skizziert die Künstlerin, neben Fabelwesen und Tieren, den König Ubu und seine thronende Gemahlin oder Männer und Frauen in höchster Erregung. Mal flirrt der Hintergrund durch die weggekratzte Engobe, mal sorgt der bei rotierender Scheibe aufgetragene flüssige Ton für Lebhaftigkeit. Man kann sich, sieht man die ausgelassen Personage, durchaus in Arkadien wähnen. Angelika Stiegler ist indessen nicht nur Keramikerin und Malerin, sondern auch Plastikerin. Becher und Vasen verwandelt sie in veritable Reliefs. Dabei wird eine Figur wie etwa König Ubu so platziert, dass sein Körper geschickt fast die ganze Wandung umspielt.Hält sich der nackte Lüstling an seinem Zepter fest oder reckt er es nur in die Höhe? Das wird hier zur Frage der Betrachterperspektive. Um einige Exponate weht ein rauerer Wind. Die Vasen aus schamottiertem Scherben etwa wirken bereits vom Material her wild und ungebärdig. Ob sich die energisch bewegte, nackte Königin – eine mit Glasur ausgelegte Sgrafittozeichnung – der Körperpflege hingibt, sehnsüchtig zu ihrem Herzkönig tanzt oder mit sich allein still vergnügt ist, verrät allein ein Blick auf die Rückseite. Hier setzt sich die Fabulierlust Angelika Stieglers nämlich in schöner Regelmäßigkeit weiter fort. Großformatige farbige Serigraphien mit figürlichen Studien begleiten die keramischen Arbeiten und bilden eine vortreffliche Ergänzung des Bilderreigens.

Arms of Medusa draw even the most distant observer towards the white engobed stoneware vases with fine craquelé. In Angelika Maria Stiegler’s latest group of works, the handles of the classical amphorae and cumens swing elegantly, curling double, stretching painted or tightly rolled into the room. They take up the tension of the pictorial narrative carved into the engobe. Like catalysts, these animated marginal plants reinforce the expectation, for instance when a buoyant faun meets a proud nymph. Or when a dancer goes spiritedly berserk to drum music. Every silhouette is different. Although the master ceramist plays with archaic forms and motifs, she reinterprets them, takes liberties that were once unthinkable: Interpreting figures expressively or putting handles on the foot. Standing very close to the up to seventy centimetre high, freely turned vases, the viewer is captivated by the exuberant imagination of the pictorial narrative. With loose strokes and an unerringly wielded scraper, the artist sketches, alongside mythical creatures and animals, King Ubu and his enthroned wife or men and women in supreme agitation. Sometimes the background flickers through the engobe that has been scratched away, sometimes the liquid clay applied with the disc rotating provides liveliness. Looking at the exuberant personage, one could well imagine oneself in Arcadia. Angelika Stiegler is not only a ceramist and painter, but also a sculptor. She transforms cups and vases into veritable reliefs. A figure such as King Ubu is placed in such a way that his body skilfully embraces almost the entire wall. Does the naked lecher hold on to his sceptre or does he just stretch it upwards? This becomes a question of the viewer’s perspective. A rougher wind blows around some of the exhibits. The vases made of fireclay, for example, already seem wild and unruly in terms of their material. Whether the energetically moving, naked queen – a sgraffito drawing covered in glaze – is indulging in personal hygiene, dancing longingly to her king of hearts or quietly enjoying herself alone is revealed by a glance at the back alone. Here, Angelika Stiegler’s love of fiction continues with beautiful regularity. Large-format coloured serigraphs with figurative studies accompany the ceramic works and form an excellent complement to the series of pictures.

Dr. Susanne Schreiber,
München, im September 1997

»Les animaux«,
Eske Bockelmann

Der König ruht dort nackt, und nur sein Tier
springt hin und her und weiß den rechten Rat.
Die Königin ist schön, und ihre Katze
– verzeihlich – sagt es ihr.

Das Stelzenschwein hat zum Berater
den Fisch, der fliegt; er rät stets: Geh´schön, geh´!
Der Panther leiht dem Himmel seine Flecken –
für einen Tanz im See.

Eins reckt sich, eines windet sich
dem andern zu;
das Tier das keiner noch benennt,

es trägt in Ruh´
den Reiter fort, und dort der Löwe
weiß einen Freund, halb Hund, halb Känguruh.