minotaurus

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stoneware sculpture, metal oxide
h 23 cm

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Die Geliebte des Minotaurus

Vor ein paar hunderttausend Jahren, im Schein des Höhlenfeuers, schnappte sich ein inspirierter Neandertaler einen Klumpen Lehm. Er betrachtete die feuchte Masse und formte daraus das Abbild einer Göttin oder eines Wollnashorns. In der Hitze des verglühenden Feuers wurde daraus über Nacht das erste Keramikkunstwerk. Oder so ähnlich.

Wir sitzen beim Schein des elektrischen Lichtes und Angelika Maria Stiegler hält in ihren schlanken Fingern eine Tonskulptur. Ton hat etwas Archaisches und Mythisches. Und dieses gewisse Etwas vermutet man nicht unbedingt hinter der bayerisch-idyllischen Fassade des Herbergenhofes in der Preysingstraße 66 in Haidhausen. Doch statt einer Haferltasse oder einer blau-weißen Butterdose hält die Keramikkünstlerin Angelika Stiegler ein sinnlich-erdiges Zwitterwesen aus Mensch und Tier in den Händen. „Dies ist die Skylla,“ erklärt sie und wiegt die Figur liebevoll hin und her. „Aus ihrem Unterleib wachsen Hunde. Sie ist eine mächtige Frauenfigur in der Odyssee, aber auch ein schreckliches Opfer.“

Auch die anderen Figuren, die die Regale ihres Ateliers bevölkern, scheinen aus der griechischen oder römischen Sagenwelt entsprungen zu sein: Faune, Nymphen, Sirenen, die Geliebte des Minotaurus, erotische pompejianische Szenen und immer wieder Tiere. Geflügelte Pferde, Einhörner, Nashörner, Panther – als Skulpturen, als Reliefs oder auf Vasen. Immer bleibt genug Raum für die Fantasie des Betrachters und bei aller Tiefe und Tragödie der Geschichten, die sie in den Ton hineinformt, schwingt Humor und Verspieltheit mit. „Ich wusste schon mit 14 Jahren, dass ich Töpferin werden wollte,“ und ihr leicht bayrischer Akzent verrät ihre Münchner Herkunft. Seit 15 Jahren lebt und arbeitet sie in dem Atelierhaus in der Preysingstraße. Nach einer Lehre und einer Meisterprüfung im Keramikhandwerk machte sie es sich aber nicht vorm Brennofen in München gemütlich. Bei einer Tasse frisch gebrühtem Pfefferminztee, Oliven und Weißbrot erzählt die Künstlerin von ihrer Arbeit mit Straßenkindern in Brasilien und von den Studenten, die sie an der Kunstakademie in Cincinnati unterrichtete. Und demnächst – da bin ich mir sicher – wird Angelika Stiegler mit ihren Werken in Griechenland sitzen. Denn im Rahmen der Olympiade hat sie sich mit dreien ihrer Stücke um einen weltweit ausgeschriebenen Preis für Keramikkünstler beworben. Dann kehren ihre getöpferten Geschichten in ihr Ursprungsland zurück.

Fabienne Hübner

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